Die Holsten-Brauerei zieht weg – und macht Platz für Wohnungen und Gewerbe

(Bericht) Für ZEIT Online habe ich über die Pläne des Hamburger Senats zur Entwicklung des Quartiers um die Holsten-Brauerei in Altona berichtet.

Der Senat hat seine Pläne für das Holsten-Gelände vorgestellt. Nach dem Umzug der Brauerei sollen in Altona 1.500 Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen.

Von Martin Petersen. Veröffentlicht am 30.06. 2016 – Zum Artikel auf ZEIT Online

Lange wurde darüber spekuliert, was mit dem Holsten-Gelände passiert, wenn die Brauerei umzieht, jetzt steht es fest: Entstehen werden ungefähr 1.500 Wohnungen für etwa 7.500 Menschen. Zusätzlich sollen Gewerbebetriebe 25.000 Quadratmeter des Areals nutzen. Verkündet worden sind diese Pläne bei einer Pressekonferenz am Mittwochmittag im Hamburger Rathaus.

Ein Termin von großer Bedeutung, wie schon die hochkarätige Besetzung zeigte. Versammelt waren: Bürgermeister Olaf Scholz, Wirtschaftssenator Frank Horch, Altonas Bezirksbürgermeisterin Liane Melzer, Oberbaudirektor Jörn Walter und die Konzernchefs von Carlsberg Deutschland und der jungen Immobilien-Entwicklungsgruppe Gerchgroup, die überraschend den Zuschlag bekommen hat. Sie vermittelten mehrheitlich einen sehr zufriedenen Eindruck. Scholz, nicht gerade für starke Gefühlsäußerungen bekannt, eröffnete mit enthusiastischen Worten: „Wenn es am Ende gelingt, haben wir hier richtig was Großartiges zustande gebracht.“

Der Bürgermeister ging zunächst nicht auf die neuen Baupläne ein, sondern sprach voller stolz über den bevorstehenden Umzug der Holsten-Brauerei. Er sei froh, dass der Produktionsstandort weiterhin innerhalb der Stadtgrenzen liege. „Holsten und Astra gehören zu Hamburg wie der HSV und St. Pauli“, sagte Scholz. Der Umzug nach Hausbruch im Bezirk Harburg sei ein klares Bekenntnis zu Hamburg, normalerweise zögen Brauereien raus aufs Land.

Der eigens aus Kopenhagen angereiste Chris Warmoth, Exekutivkomitee-Mitglied der Carlsberg Group, betonte ebenfalls, wie besonders dieser Umzug sei. Es sei nicht selbstverständlich, in Westeuropa noch in einen Brauereineubau zu investieren. Der Carlsberg-Konzern, der 2004 die Holsten Brauerei aufgekauft hat, stecke einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in das Projekt, fügte Deutschlandchef Holtz hinzu. Das Unternehmen vertraut offenbar darauf, dass sich der in den letzten Jahren zurückgegangene Bierkonsum in Deutschland stabilisiert.

Für die Arbeiter am alten Standort dagegen ist der Umzug nicht unbedingt eine gute Nachricht, denn Carlsberg streicht Arbeitsplätze. „Wir werden effizienter – das wird einen Arbeitsplatzabbau mit sich bringen“, sagte Holtz. Noch sei man in Gesprächen mit dem Betriebsrat, Zahlen gebe es daher noch nicht. Klar ist aber, dass die Brauerei nicht wächst, sondern schrumpft. Sie wird sich in Hausbruch der veränderten Nachfrage anpassen. Ausgelegt ist der neue Standort auf die Produktion von eine Millionen Hektoliter Bier pro Jahr, heute sind es noch 1,2 Millionen Hektoliter.

Vorbild ist Mitte Altona

„Heute ist erst einmal ein trauriger Tag“, sagte Bezirksamtschefin Liane Melzer, „weil die Holsten-Brauerei weggeht.“ Doch ein wenig Brauereikultur wird Altona weiterhin für sich beanspruchen können, „wenn auch in Kleinstmengen“, so Holtz, denn es wird neben der Holsten-Verwaltung, die in der Nähe bleibt, auch eine Mikrobrauerei am alten Standort geben. Außerdem werden zwei Gebäude erhalten bleiben, die an die alte Brauerei erinnern sollen, das Sudhaus und der Juliusturm mit dem Holstenritter. Im weiteren Sinne an die Vergangenheit anknüpfen sollen ein Astra-Pub und ein Hotel, das „konzeptionell das Thema Bier aufgreift“, so ist es den ersten konzeptionellen Stichworten des Projektentwicklers Gerchgroup zu entnehmen.

Der Geschäftsführer der Gerchgroup Mathias Düsterdick erklärte, dass nach dem weitestgehenden Abriss – wohl 2018 – mit zwei Jahren Bauzeit zu rechnen sei und die ersten Bewohner „frühestens und grob gesagt“ 2020 einziehen könnten. Dass die Gerchgroup aus über 30 Bewerbern den Zuschlag für das Areal bekommen hat, hat vielerorts für Verwunderung gesorgt, denn das Unternehmen ist der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Kein Wunder – wurde es doch erst im November 2015 von Mathias Düsterdick und Christoph Hüttemann gegründet, die zuvor die Köpfe der Projektentwicklungsgruppe PDI waren. In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass die Gerchgroup bereits das Projektareal Korallusviertel in Hamburg-Wilhelmsburg erworben hat. In Altona rechnet das Unternehmen laut Düsterdick mit Gesamtinvestitionen von rund 750 Millionen Euro.

„Ich wünsche mir ein schlankeres Verfahren“

Für die Neubebauung des frei werdenden Holsten-Geländes habe die Stadt „zum Glück eine Blaupause“, sagte Oberbaudirektor Walter: die Mitte Altona. Die Rahmenbedingungen, auf die man sich mit der Gerchgroup geeinigt habe, seien vergleichbar mit denen des rund um den Altonaer Bahnhof entstehenden Viertels. Auch das neue Wohngebiet auf dem Holstengelände soll aus einem Drittelmix bestehen – ein Drittel Eigentum, ein Drittel frei finanziert, ein Drittel Sozialwohnungen. 20 Prozent der Wohnungen werden an Baugemeinschaften vergeben.

Es gibt jedoch auch einen Unterschied zur Mitte Altona: die etwa 25.000 Quadratmeter, die von Gewerbebetrieben genutzt werden können. Die Fläche solle von Manufakturen, Start-ups und Unternehmen der Kreativwirtschaft gehen, so Walter. Zudem seien „altonaspezifische Nutzungen in Form von Handwerkerhöfen“ vorgesehen. In den Erdgeschossen der Gebäude sind Cafés, Nahversorger und kleine Unternehmen geplant. Ganz verzichtet werden soll auf große Systemgastronomiebetriebe.

2017 soll die Bürgerbeteiligung abgeschlossen sein

Die Architektur des Quartiers wird sich – und das wird nicht nur Begeisterung hervorrufen – wohl ebenfalls an der Mitte Altona orientieren. Fünf- bis siebengeschossig wird in die Höhe gebaut, ein Fassadenmaterial soll der von einigen als typische empfundene Klinker sein. Eine Bauweise, die nicht wenige Architekturkritiker als zu monoton wahrnehmen. Auf verschiedene Ideen und Wünsche aus der Bezirkspolitik bezüglich der Bebauung angesprochen, sagte Bürgermeister Scholz, man müsse auch die Frage „Was kostet das?“ bedenken. Das Ziel sei doch, dass Hamburg „die eine große erfolgreiche Metropole Europas ist, in der das Wachstum nicht dazu führt, dass Männer und Frauen mit normalem Einkommen in der Innenstadt nicht mehr wohnen können“.

Wie auch schon zur Mitte Altona wird es ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Bebauung des Holsten-Areals geben. „Ich wünsche mir ein schlankeres Verfahren“, sagte Oberbaudirektor Walter, „denn viele Dinge, die wir für Mitte Altona erarbeitet haben, sind hier die Grundlage.“ Beginnen soll die Bürgerbeteiligung nach der Sommerpause, bis Mitte 2017 soll sie nach Walters Vorstellungen abgeschlossen sein. Die Hoheit über das gesamte Verfahren habe der Bezirk Altona. Auch Liane Melzer bekräftigt, dass man mit der Mitte Altona Erfahrungen gemacht habe, die in das Verfahren mit einfließen könnten.

Düsterdick betonte, dass er mit seinem Unternehmen Gerchgroup „sehr erfahren mit Bürgerbeteiligungen“ sei. Seine Düsseldorfer Firma führe derzeit in Stuttgart ein „Ping-Pong-Verfahren“ durch: Die Wünsche der beteiligten Bürger würden direkt an die Architekten weitergeleitet, die dann Entwürfe erstellten und ihnen vorstellten. Ob das auch in Altona so harmonisch vonstatten geht? Das wird sich noch zeigen.


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